Wer von einem Besuch in England zurückkommt, berichtet mir fast immer – nachdem er seinem Erstaunen über die Kälteunempfindlichkeit der Einheimischen Ausdruck verliehen hat – von der Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit der Engländer.
Sie hätten einen so herzlich aufgenommen, auf der Straße gleich ihre Hilfe angeboten, hätten spontan Gespräche im Laden oder in der Kneipe angefangen, seien so humorvoll. In der beruflichen Zusammenarbeit aber „knirscht“ es manchmal zwischen Deutschen und Engländern. Einer der Hauptgründe hierfür liegt im unterschiedlichen Kommunikationsstil.
Deutsche Direktheit und englische Höflichkeit
In Deutschland sagt man unumwunden, was man meint, und kann damit Engländer ziemlich erschrecken. Sie sind es nämlich gewohnt, Meinungen zögerlicher und taktvoller auszusprechen. Dies wiederum empfinden manche Deutsche als unehrlich. Weicht er jetzt aus? Warum sagt er nicht das, was er meint? In meinen Kursen z. B. leite ich Aufgaben oft ein mit Formulierungen wie: Perhaps you could … , How about … oder Would you like to ... und erlebe, dass solche Formulierungen dann gar nicht als Anweisungen, sondern als Vorschläge verstanden werden. Für mich spiegelt die vorsichtige Ausdrucksweise überhaupt keine Unsicherheit oder Unklarheit wider. Es liegt mir einfach fern im Befehlston zu sprechen.
Der Ton macht die Musik? Mimik und Gesten auch!
Eine nette Übersetzungshilfe, eingeteilt in What the British say, What the British mean und What is understood, bietet ein Artikel in The Economist. Es kommt allerdings auch darauf an, wie etwas gesagt wird – wenn Mimik, Gestik und/oder Tonfall fehlen, ist es natürlich schwerer. Während man in Deutschland gleich zur Sache kommt, beginnen eine Besprechung oder ein Anruf in England mit etwas Small Talk. Dies ist keine Zeitverschwendung, sondern eine Möglichkeit miteinander warm zu werden, Beziehungen aufzubauen und zu pflegen.
Wie klappt die Kommunikation mit den englischen Kollegen?
Was kann man als Deutscher tun, um die Kommunikation mit englischen Kollegen zu verbessern? Ich würde sagen: Bleiben Sie authentisch und lotsen Sie aus, wie viel Indirektheit zu Ihnen passt. Womit fühlen Sie sich noch wohl? Wann kommen Sie sich wie eine Parodie eines stereotypischen Engländers vor? Übertreiben Sie nicht: Formulierungen wie Would you please be so kind as to send me the agenda for the meeting wirken bestenfalls verstaubt und werden wahrscheinlich viel eher als sarkastisch interpretiert werden. Aber Bitten mit could und would zu formulieren, schlechte Nachrichten mit I’m sorry oder I’m afraid … einzuleiten, das wäre doch ein guter Anfang. Und mein Tipp für alle, denen partout keine Small Talk-Themen einfallen: Hören Sie Ihrem Gesprächspartner gut zu und stellen Sie ihm ein paar Fragen. Auch so lassen sich Beziehungen fördern. PS: Wer einen augenzwinkernden Blick in die englische Seele sucht, dem empfehle ich @SoVeryBritish auf Twitter zu folgen.
Über die Autorin
Nicola Bartlett stammt aus Derby, England, ist Diplompädagogin und zertifizierte interkulturelle Trainerin. Seit 16 Jahren unterstützt sie vorwiegend in Unternehmen Personen aus verschiedensten Aufgabenbereichen beim Erwerb der notwendigen Sprach- und Kommunikationsfähigkeiten, um im internationalen Kontakt mit Geschäftspartnern effektiv zusammenzuarbeiten. Als ICC-Länderpartnerin bietet Frau Bartlett auch interkulturelle Trainings für das Zielland England an: http://www.nicolabartlett.de
seizmo meint
ich war mal in england, hatte geschenke dabei und habe dafür nette komplimente bekommen, wie gut es den beschenkten gefällt. ich habe dann gefragt: „really“ und alle habe mich angeguckt, als hätte ich jemanden beleidigt. es hatte sich wohl ironisch angehört… das ist auch kompliziert mit dem humor auf der insel. mal wollen sie alle lustig sein, dann sind sie wieder höchst sensibel. ich mag sie trotzdem;)
Lena meint
Der Guide könnte auch für Deutsche die in die Schweiz ziehen interessant sein, da wir Schweizer in diesem Punkt den Engländern kulturell viel näher sind als den Deutschen. Etwas das viele Deutsche nicht wissen und sich dann wundern, warum die Integration in der Schweiz nicht klappt.