Der nationale Volkskongress in China endete am 11. März 2021. Die Regierung veröffentlichte Arbeitspläne für 2021 und stellte den 14. Fünfjahresplan für die Jahre von 2021 bis 2025 vor. Insbesondere hat sich die Regierung ein Wachstumsziel von „über 6%“ im Jahr 2021 gesetzt, das deutlich unter den Markterwartungen liegt. Der Fokus verlagert sich offensichtlich von kurzfristigem Wachstum auf langfristige, strukturelle Zielsetzungen wie technologische Innovation, Vernetzung von Städten („Städtecluster“) und ökologisches Wachstum. Chinas Wirtschaftswachstum 2021 und der 14. Fünfjahresplan – ein Überblick vom Wirtschaftsexperten Markus H.-P. Müller.
Das BIP-Wachstumsziel wurde von der chinesischen Regierung für das Jahr 2021 auf „über 6%“ festgelegt. Premier Li Keqiang betonte, dass dies unter Berücksichtigung der Größe der chinesischen Wirtschaft kein niedriges Ziel sei. Es würde eine stetigere Expansion der chinesischen Volkswirtschaft ermöglichen. Das Ziel ist jedoch niedriger als die Konsensusprognosen von 8%-10% für dieses Jahr, die auch statistische Basiseffekte berücksichtigen.
Unsere Prognose für das chinesische Wirtschaftswachstum in diesem Jahr liegt bei 8,7%. Wir gehen davon aus, dass das niedriger als erwartete Wachstumsziel der Untergrenze dessen entspricht, was die Regierung in Peking tatsächlich anstrebt. Die Entscheidung deutet zugleich darauf hin, dass bei Chinas Wirtschaftswachstum mehr Wert auf die Qualität und weniger auf die Geschwindigkeit gelegt werden soll.
Chinas Wirtschaftswachstum bis 2025
Im 14. Fünfjahresplan für die Jahre 2021-2025 hat China keine numerischen Wachstumsziele festgelegt. Man werde das „Wachstumstempo in einem vernünftigem Bereich“ halten und „jährliche Ziele basierend auf spezifischen Bedingungen festlegen“. Das ist der große Unterschied zum 13. Fünfjahresplan (2016-2020), in dem die Zielsetzung als „ mittelhohes Wirtschaftswachstum von über 6,5%“ beschrieben wurde. Ohne die numerischen BIP-Wachstumsziele macht die chinesische Regierung deutlich, dass langfristige Ziele priorisiert werden. In den kommenden fünf Jahren will sie damit mehr qualitatives Wachstum erreichen.
Technologische Innovationen in China
Technologische Eigenständigkeit ist ein wichtiges Ziel der Regierungspolitik. Die chinesische Regierung will die Ausgaben für Forschung- und Entwicklung (F&E) im Land erhöhen. Die Zentralregierung plant ein Ausgabenwachstum für Grundlagenforschung von 10,6% im Jahr 2021. Außerdem soll die bestehende Steuerermäßigung von 75% bei F&E-Ausgaben weiter für alle Unternehmen gelten. Bei Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes soll die Steuerermäßigung für F&E-Ausgaben von 75% auf 100% angehoben werden. Durch diese Maßnahmen sollen technologische Innovationen in der Wirtschaft und vor allem im verarbeitenden Gewerbe gefördert werden. Da China bei Technologieprodukten einiger westlicher Länder mit Verboten konfrontiert ist, zielt die chinesische Regierung darauf ab, eine stärkere Eigenständigkeit bei Technologieprodukten zu erreichen.
Urbanisierung in China – die Städtecluster
China will eine neue Runde der Urbanisierung durch die Entwicklung von Mega-City-Clustern vorantreiben. Der 14. Fünfjahresplan hat das Ziel, die Urbanisierungsrate bis 2025 auf 65% zu erhöhen. Mit anderen Worten: 70 Millionen Menschen werden in den nächsten fünf Jahren zu neuen Stadtbewohnern werden. China beabsichtigt die regionale Integration zu fördern und Cluster von großen Städten aufzubauen.
Ziel ist es, effiziente, grüne und lebenswerte Stadtcluster zu entwickeln, die mehr Stadtbewohner beherbergen können. Die Entwicklung von Smart Citys hat bereits begonnen und der neue Fünfjahresplan zielt darauf ab, 5G-Nutzerpenetration von derzeit 18% auf 56% im Jahr 2025 zu erhöhen. Das Schienennetz wird weiter ausgebaut, um die regionale Integration und Entwicklung von Städteclustern zu erleichtern. Zu den wichtigsten Städteclustern in China gehören die Region Peking-Tianjin-Hebei, das Jangtse-Delta, und die Greater Bay Area.
Mehr grünes Wachstum in China
China nimmt eine geringere BIP-Wachstumsrate in Kauf, um ein qualitativ höherwertiges, d.h. grünes Wachstum zu erreichen. Die Regierung hat angekündigt, dass im Rahmen des 14. Fünfjahresplans bis 2025 eine Reduktion der CO2 Emissionen um 18% erreicht werden soll. China will noch im Jahr 2021 die Energieintensität um 3% reduzieren und die Emissionen der relevantesten Schadstoffe senken. Erneuerbare Energien mit Solar- und Windenergie sind der neue Entwicklungsbereich.
Außerdem ist geplant, mehr Ladestationen für E-Fahrzeuge zu bauen und das Recycling von Batterien aus E-Fahrzeugen zu beschleunigen. Der Höhepunkt von Kohlenstoffemissionen soll noch vor 2030 überschritten werden, um 2060 kohlenstoffneutral zu sein. Mit dem neuen Fünfjahresplan, der sich auf grünes Wachstum konzentriert, gehen wir davon aus, dass China zügig Maßnahmen ergreift, um diese Ziele zu erreichen.
Entwicklung des dualen Kreislaufs in China
China hat Mitte 2020 das Konzept des dualen Kreislaufs für die weitere Entwicklung vorgestellt. In diesem Konzept spielt der inländische Wirtschaftskreislauf eine führende Rolle; der inländische und der internationale Kreislauf würden sich gegenseitig verstärken. Das Konzept des doppelten Kreislaufs wurde in China eingeführt, als das außenwirtschaftliche Umfeld inmitten der Covid-19-Pandemie sehr unsicher wurde. Außerdem standen Exporte durch zunehmenden Protektionismus im Ausland vor Herausforderungen.
Daher wurden Ausweitung der Inlandsnachfrage und Konzentration auf den inländischen Kreislauf zu einer Priorität der Regierung. Insbesondere die einkommensschwächeren Regionen im mittleren und westlichen Teil des Landes sollen besser entwickelt, das Wachstum des Konsums der Haushalte stimuliert und die inländischen technologischen Fähigkeiten gestärkt werden. Dabei soll der internationale Wirtschaftskreislauf eine wichtige Ergänzung bleiben und die Expansion des inländischen Kreislaufs unterstützen.
Chinas Wirtschaftswachstum 2021
China hat seit Jahresanfang trotz neuer Reiserichtlinien während des chinesischen Neujahrsfestes eine Erholung gezeigt. Insbesondere Chinas Exporte sind im Zweimonatszeitraum Januar/Februar um 60,6% gg. Vj. deutlich stärker als die Markterwartungen gestiegen. Das Wachstum lag damit um 32,7% höher als im entsprechenden Zeitraum 2019, dem Jahr vor der Covid-19 Pandemie.
China ist er größte Exporteur der Welt und sollte von der Erholung der Auslandsnachfrage profitieren, wenn die andere große Länder die Wirtschaft wieder öffnen. Der Konsum der inländischen Haushalte hat in diesem Jahr ebenfalls stark begonnen und sollte im zweiten Quartal zulegen, wenn Reisebeschränkungen weiter gelockert werden. Im Februar habe wir unsere BIP Prognose für das Jahr 2021 von 8,2% auf 8,7% angehoben. Wir gehen davon aus, dass sich China in den kommenden Quartalen weiter erholen sollte.
Chinas künftige Wettbewerbsfähigkeit
Da das Pro-Kopf-BIP die Marke von 10.000 USD überschritten hat, beabsichtigt China, in den kommenden Jahren ein langsameres, aber qualitativ höherwertiges Wachstum anzustreben. Diese neue politische Zielsetzung dürfte zwar kurzfristig Wachstumsvorteile kosten, sollte aber Chinas langfristige Wettbewerbsfähigkeit stärken. Eine ausgewogenere regionale Wirtschaftsentwicklung, stärkerer inländischer Konsum, ein besserer Umweltschutz und mehr technologische Innovationen sollten unserer Ansicht nach in den kommenden Jahren zu erwarten sein, wenn die neuen politischen Maßnahmen umgesetzt werden. Wir werden hier weiter über Chinas Wirtschaftswachstum berichten.
Über den Autor
Markus H.-P. Müller studierte Volkswirtschaftslehre an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Er ist leitender Angestellter in globaler Position bei der Deutschen Bank und zudem Dozent in wissenschaftlichen Einrichtungen wie der Frankfurt School of Finance, der Banking and Finance Academy in Uzbekistan und der Universität zu Bayreuth tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der strukturellen Transformation von Ökonomien und Gesellschaften sowie im Bereich der Nachhaltigkeit.
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ccc.af meint
china macht da alles richtig. und wir kriegen es nicht hin. peinlich